Kurt Buchwald
   
  "Wir sind das Volk2"
 

das Amt für Wahrnehmungsstörung präsendiert:

 

Montagsdemos

in Ostdeutschland und Berlin 2004

 

Seite 2

Dokumentation

 

Ausstellung

Liedtexte

nummeriert 1 - 30

   

Anfang des neuen Jahrzehnts ist in Deutschland eine Stimmung zu finden, die an die letzten Jahre der DDR erinnert. Das konnten natürlich nur die Ostdeut-schen spüren. Das Land ist nicht in der Lage, seine Probleme zu lösen. Die Regierung beschließt Ge-setze, die für weite Teile der Bevölkerung den Weg in einen sozialen Abstieg bahnen. Wen wundert es da, daß sich Menschen zusammenfinden, die an das anknüpfen wollen, was 1989 der Druck der Straße zustande brachte. 2004 ist eine völlig andere Situ-ation. Die Lokomotive der Globalisierung fährt mit Volldampf. Individualismus und Ellenbogen haben Egalität und Solidarität verdrängt. Sonntagsredner und Medien lassen zum 15. Jahrestag der Wende die Montagsdemonstrationen von 1989 hochleben. Die Demonstranten im Herbst’04 stehen mit ihren "WirsinddasVolk"-Plakaten alleine da.
Meine Sympathie galt den Betroffenen, vor allem in den ostdeutschen Städten. Es waren keine Akti-visten und "Berufsrevolutionäre" wie in Berlin. Die Leute waren nicht cool und abgeklärt. Zum Teil wurden haarsträubende Vorstellungen artikuliert, bloßer Unmut, Wut oder Ohnmächtigkeit. Viele sind verbittert und fühlen sich betrogen.
Von verschiedenen Seiten wurde versucht, die Pro-teste zu vereinnahmen. Das Berliner >Bündnis gegen Agenda 2010 und Sozialraub< organisiert die 1. neue Montagsdemo schon im Dezember 2003. Es ent-steht die Losung: "Weg mit Hartz IV - das Volk sind wir!" Im Sommer und Herbst 2004 gehen vor allem in Ostdeutschland die Leute auf die Straße. Doch der Funke springt nicht über. Die Medien reden die Proteste klein. Die PDS druckt das Plakat, "Armut per Gesetz", wollte jedoch, wie die Gewerk-

schaften, keine Volksbewegung initiieren. Es kommt zur Spaltung. Nun finden in Berlin zwei Demos gleich-zeitig statt. Attac zieht sich nach anfänglicher Unter-stützung zurück. Die etablierten Parteien und Eliten der Bundesrepublik ignorieren die Proteste. Linke gründen die Wahlalternative Arbeit & soziale Gerech-tigkeit. Die NPD nutzt die Stimmung für den Einzug in den sächsischen Landtag.
Meine Bilder sind keine Vehikel für Parteiprogramme. Die Demonstranten verschwinden nicht hinter Losungen und Transparenten, ihre Körpersprache ist mir wichtig. Mit dem reflexartigen Zeigen und Wieder-holen von Parolen ist niemandem geholfen. Erst wenn die Oben nicht mehr können und die Unten nicht mehr wollen, kommt eine Revolution ins Rollen. Bei der Zusammenstellung "Wir sind das Volk2" entsteht durch die Kombination zweier Fotos und der Bildunterschrift eine neue Ebene, die eine Reflektion ermöglicht und über die unmittelbaren Ereignisse und Ziele hinausgeht. Es kommt zu Irritationen. Die Textstellen umfassen einen Zeitraum von der französischen Revolution bis zur Wende. Es sind Zitate aus dem Liedgut der Arbeiterbewegung und des DDR-Agitprop. Viele Ostdeutsche haben die Melodien noch im Ohr. Die Lieder transportieren alte Mythen des Kampfes. Der Mix von Bild und Text läßt ihre Botschaft in einem neuem Licht erscheinen. Das Selbstverständnis einer Zeit, in der auch die sozialen Übereinkünfte der Bundesrepublik eingebunden waren, löst sich auf bzw. muß neu erkämpft werden. Der Versuch, mit einer Neuauflage der Montags-demonstrationen Veränderungen zu erreichen, ist gescheitert. Damit wird auch der Mythos von 1989 in Frage gestellt.

"BRÜDER ZUR SONNE, ZUR FREIHEIT...", am Ring und an der Nicolaikirche, Leipzig, den 30.08. u. 13.09.04 (6)
   
"VORWÄRTS IHR SÖHNE..." Leipzig, den 30.08.04 (15)
   
"ES RETTET UNS KEIN HÖH'RES WESEN...", Opernplatz, Leipzig, den 30.08.04 (5)
   
"...HATTE VERGESSEN, DASS DIE FÜCHSE DIE HÜHNER FRESSEN...", Berlin 10.08. u. Leipzig 30.08.04 (18)
   
" ...DIE ROTE FAHNE, WEHT EUCH KÜHN VORAN..." Leipzig 13.09. u. Magdeburg 04.10.04 (10)
 
   
"MANN UND WEIB UND WEIB UND MANN..." Willy Brandt Haus, Berlin, den 16.08.04 (16)
   
"IN STADT UND LAND, IHR ARBEITSLEUTE...", Torstraße und Nicolaikirche, Berlin 02.10. u. Leipzig 13.09.04 (5)
   
"UND WEIL DER MENSCH EIN MENSCH IST...", Robert Koch Platz, Neptunbrunnen, Berlin 23.08. u. 27.09.04 (12)
   
" HOCH AUF DEM GELBEN WAGEN...", vor Oper und Dom, Leipzig 13.09. u. Magdeburg 04.10.04.04 (27)
   
"WER STEHT FÜR EUCH POSTEN...", Marktplatz, Lutherstadt-Wittenberg, den 05.09.04 (19)
   
"... WIR SIND KAMERADEN, SCHMIEDEN DAS GLÜCK.", Opernplatz, Leipzig, den 13.09.04 (24)
   
"DIE HEIMAT HAT SICH SCHÖN GEMACHT..." Alexanderplatz, Berlin, den 03.10.04 (28)
   
"...VENCEREMOS, SPRENGT DIE KETTEN...", Alexanderplatz, Berlin, den 03.10.04 (20)
   
"FRIEDEN, FREUNDSCHAFT, SOLIDARITÄT!", Alexanderplatz, Berlin, den 27.09. u. 02.10.04 (30)
   
"BRÜDER, DAS STERBEN VERLACHT...", Alexanderplaz und Torstraße, Berlin, den 03.10.04(6)
   
"DER MENSCH KANN MANCHE SACHEN GANZ FÜR SICH SELBER MACHEN.", Opernplatz, Leipzig, 13.09.04 (23)
   
"WIR SIND DIE JUNGE GARDE...", Robert Koch- und Alexanderplatz, Berlin, den 23.08. u. 03.10.04 (7)
   

"DU HAST JA EIN ZIEL VOR DEN AUGEN...", Alexanderplatz, Berlin, den 03.10.04 (14)

   
"REINEN TISCH MACHT MIT DEN BEDRÄNGERN!", Friedrichstraße, Berlin, den 02.10.04(5)
   
"WIR SIND ÜBERALL...", Friedrichstraße und Alexanderplatz, Berlin, den 02. u. 03.10.04 (21)
   
"EIN MANN SO FEST WIE EINE EICHE...", Unter den Linden, Berlin, den 02.10.04 (8)
 
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