Körperempfinden
und Bildentstehung
Die Benutzung
moderner Medien ist für uns selbstverständlich. Vor
allem junge Menschen lernen schnell damit umzugehen. Doch der
spielerische Umgang täuscht, es gibt Defizite: zum einen
fehlt das Verstehen, es wird eine Black Box bedient. Zum andern
reduzieren technische Apparate körperliche Arbeit und die
damit verbundene körpereigene Wahrnehmung bei der Bildentstehung.
Malen, Zeichnen oder Bildhauern ist Handarbeit. Auf Knopfdruck,
ohne viel zu tun, können wir ein Bild auf den Monitor des
Computers sehen.
Wahrnehmen ist mit Zeit verbunden, alle Maschinen beschleunigen
die Zeit. Wir müssen verlangsamen um körperlich wahrzunehmen.
Nur dann können wir den Vorgang der Bildentstehung genau
beobachten und spüren.
In der Frühphase der Fotografie war das kein Problem. Es
dauerte etliche Minuten bis ein Bild entsteht. Eine genaue Abfolge
(Aufnahmeritual) war nötig.
Fotografische Apparate arbeiten mit einem gegenständlichen
Bildträger, dem Film. Man kann die Kamera öffnen und
auseinandernehmen. Bei moderner elektronischer Technik ist das
unmöglich. Es sind zum Teil Kompaktsysteme. Das Bild wird
auf einer Chipkarte unsichtbar gespeichert. Es bedarf der Sichtbarmachung,
auf dem Monitor oder dem Ausdruckt.
Um Köperkontakt zu bekommen und das Entstehen eines Bildes
als sichtbares Objekt in allen Phasen verfolgen und beeinflussen
zu können, muss eine einfache Technologie verwendet werden.
Dazu zählt das Abformen mit Papier oder Gips, Körperdrucke
usw. Es gibt viele Möglichkeiten. Einige entstehen auf natürliche
Weise, z.B. Versteinerungen und Schattenbilder. Manche Bildverfahren
sind nicht mehr in Gebrauch, es gibt bessere, andere kommen aus
der Mode.
Gut geeignet ist auch die kameralose Fotografie, das Herstellen
von Fotogrammen. Der Bildträger, das Fotopapier ist durch
direkten Kontakt (z.B. Hand auflegen) zu spüren. Es ist zu
sehen, wie sich das Papier schwärzt. Kleine Experimente können
ausgeführt werden.
Nachdem die Teilnehmer Erfahrungen mit einfachen Verfahren gesammelt
haben, wird moderne Bildtechnik verwendet. Vor einer digitalen
Kamera werden Übungen mit langer Belichtungszeit durchgeführt:
das Hinein- und Hinausgehen, das Bewegen oder Stillstehen im Bildraum
soll ein Gefühl für die Zeit, den eigenen Körper
und das mögliche Bild erschließen. Die Kamera wird
zum medialen Spiegel. Dazu zählt die Inszenierung als lebendiges
Bild unter Mitwirkung aller Beteiligten. Diese Aufgabe fordert
Zusammenarbeit, Spontaneität und Kreativität. Die Gestaltung
des Bildes kann der Porträtierte am eigenen Leib verfolgen.
Bei einer Computeranimation wird die Veränderung medial erzeugt.
Im Workshop können die Jugendlichen das Erlebte mit dem Bildergebnis
vergleichen. So werden Körperempfinden und Bildentstehung
zusammengeführt.