künstlerischen Entwicklung

Beginn mit der künstlerischen Fotografie

 

 

 

 

 

 

“konzeptionelle Fotografie”


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Projekt“Asphalt & Arbeit”


 

 

 

 

Bildtableaus

 

 

 

 

 

 

unscharfe Porträts





 

 

Aktion + Performance

 

 

 

Amt für Wahrnehmungsstörung

 

 

 

Fotografieren verboten!

 

 

 

Projekt “Bilder+Blenden”


 

 

 

 

 

 

Installation + Skulptur


 

 

 

 

 

 

Übergreifende Projekte


 

 

 

“Firmament der Dinge”

 


 

 

 

 

 

Serien + Bildmontage
in der Reihe Deutschlandbilder


 

 

 

 

 

 

Beobachtungsstation

mobile Skulptur

Bilder mit der Röhre


digitale Fotografie
Bildbearbeitung + Grafik

 


 

 

Video


 

 

Workshops

Auslöser für meine künstlerische Tätigkeit war die Beschäftigung mit der Aktionskunst der 70er Jahre. Darüber hinaus hat mich natürlich die Bilderfahrung des Ostens geprägt. Während meines Ingenieurstudiums von 1976-81 in Chemnitz kam ich in Kontakt zum Künstlerkreis Clara Mosch. Hier herrschte ein für DDR-Verhältnisse ungewohnt freier Umgang mit Kunst. Ich leite den Fotoclub der TH und beginne künstlerisch zu fotografieren. Mein damaliger Mentor ist Ralf-Reiner Wasse. Ich lerne das Projekt Leusow Resigling kennen und sehe Arbeiten von Jürgen Klauke, Klaus Rinke und Arnulf Rainer.

Als ich 1982 nach Ostberlin gehe und als Angestellter in verschiedenen Druckereien tätig bin, beschäftigte ich mich mit konzeptioneller Kunst und Fotografie. Ich beginne mich für Arbeiten von Joseph Kosuth zu interessieren, lese fotografische Essays von Susan Sontag und Rolf H. Krauss. Ich verfasse ein Manifest mit dem Titel "Konzeptionelle Fotografie" (siehe Dokumentation im Katalog: "Fotografie in Aktion" Seite 74), um eine Arbeitsgrundlage herzustellen. Im Vordergrund steht die Aktion, der Gesamtsinn Körper und die Arbeit mit Information und den verschiedenen Trägermaterialien. An einer besonderen Technologie oder ein Dogma fühle ich mich nicht gebunden. Ich suche neue Zusammenhänge und komme in Widerspruch zur offiziellen Kunstauffassung der DDR.

Ich entwickle Versuchsreihen, um die fotografische Handlung zu hinterfragen bzw. mit andere Vorgängen zu vergleichen: "Finden - Fotografieren - Inbesitznehmen -Forttragen// Abbilden - Abformen// Stehplätze - Störplätze" usw. Im Letztgenannten störe bzw. verdecke ich mit meinem eigenen Körper das fotografierte Bild. Die Negation wird zum Ausgangspunkt weiterer Projekte. In dieser Zeit arbeite ich ausschließlich mit Bildserien und Sequenzen. Aus der Konzeption "Fahren - Fotografieren - Fahren" entsteht 1985 die Bildserie "Landschaft & Be-wegung". Ich fotografiere mit langen Belichtungszeiten aus dem fahrenden Auto.

Zu Einzelbildern komme ich erst im Projekt "Asphalt & Arbeit", Berlin 1986. Mit dieser Fotoserie schaffe ich eine unkonventionelle Darstellung schwerer körperlicher Arbeit. Der Arbeiter wird zum Aktionskünstler. Mit dem Körper soll er die Stofflichkeit spüren. Ich registriere den Vorgang. Bei langen Belichtungszeiten verschmelzen Mensch und Material. Ich betreibe Spurensuche. Mit Genauigkeit zeige ich Details und teile das Aktionsfeld in Bereiche ein: das Material, die Gegenstände, die Vorgänge, die Akteure (Porträts). Ich fasse die Ergebnisse in einer Bildtafel zusammen. Durch die Gegensätze entsteht ein neuer übergreifender Zusammenhang. Als Objekt wird ein Stück asphaltierte Straße ausgestellt. Im gleichen Jahr werde ich in den Künstlerverband aufgenommen und bin freischaffend tätig.

Mehr als das Herstellen eines hochwertigen fotografischen Bildes hat mich immer der Umgang mit den Bildern, die Anschlüsse zwischen den Bildern, die Bildsprache interessiert. 1988 entsteht das 12-teilige Bildtableau "Schautafel für den Pawlowschen Hund". Die Bildtafel, eine Art unbewusster Text und Film auf der Fläche, wird für mich zu immer wiederkehrenden Arbeitsgrundlage. Aber auch Probleme der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, wie das Sehen und Nichtsehen, das Ausblenden und Erinnern spielen eine Rolle.1987 entsteht das Bildtablau "Ein Tag in Ostberlin", wo ich die Bildstörung mit einem Double im schwarzen Mandel inszeniere.

Ein Jahr später verwende ich dafür Porträts. Aus der absurden Idee, Personen unscharf vor der Berliner Stadtlandschaft zu porträtieren, entsteht ein traumartiges Stimmungsbild kurz vor der Wende. Porträt und Landschaft benutze ich in der Folgezeit häufig, um meine Vorstellung vom gestörten Bild und verletzten Menschen, zu visualisieren. Die Serie "Berliner Traum", Berlin 1988 (unscharfe Porträts), wird 1989 in der Installation "Nachtkammer" ausgestellt. Von hinten beleuchtet sind die Fotos nicht zu sehen.

Während der Wende führe ich in Zusammenarbeit mit Jörg Wähner die Performance "Die große Säuberung - hinter großen Männern" auf (u.a. auch in La Voilette, Paris, Febr. 1990). Von einer Fotoleinwand werden Stalinbilder geschrubbt. Der Fotosud, Kartoffelbrei & Stalinsoße, wird in Einweckgläser gefüllt. Auch in der Performance "Deutschland verrecke", Berlin 1991, arbeite ich mit Mitteln des Polit- und Agitationstheaters und zelebriere den Wendegeist. Wotan zerschlägt einen Berg von Stühlen.

1993 gründe ich das Amt für Wahrnehmungsstörung. Die Behörde gibt fiktive Anordnungen und Verbote heraus oder beschäftigt sich mit pseudowissenschaftlichen Untersuchungen: der 1. Feldversuch zum Markt des Nichts, die Messung der Leere auf öffentlichen Plätzen, die OM- Beobachtungsstation, die Deutsche Wacht usw. Die komischen Begebenheiten, die ich inszeniere, haben einen ernsten Hintergrund. Ich übertreibe und verdrehe, kritisiere Entfremdung und Bilderflut, suche das Absurde, die Provokation.

In dem "Kunstbüro" ist auch die Aktion "Fotografieren verboten!" integriert. In Moskau 1988 begonnen, habe ich in vielen Teilen der Welt (u.a. in der Atacamawüste, am Polarkreis, in London, Paris, New York usw.) Fotoverbotsschilder aufgestellt.

Im Projekt "Bilder+Blenden" 1990-2000, werden an der Kamera kleine Blenden montiert, die einen Teil des Bildes verdecken. Als Arbeitsgrundlage erstelle ich einen Algorithmus der verschiedensten Blendenformen und Farben: Spalt-, Loch-, Streifen-, Rasterblenden usw. Neben dem Verdecken, dem Sehen und Nichtsehen spielt die Geometrie, die Physik (Lichtbeugung, Rasterpunkte usw.) und die Farblehre eine Rolle. Mit dem Projekt kann die ganze Fotogeschichte abgearbeitet werden. Die Kamera wird zum gestörten Messinstrument, frei nach der These Wilhelm Flussers: Gegen den Apparat fotografieren! Die letzte Arbeit in diesem Zyklus ist "Stripes", Röderhof 2000. Über die Kameraeinstellung entstehen Interferenzen, so daß Bild und Vorlage nicht mehr identisch sind. Vor den Streifen-blenden werden Störkörper plaziert, die die Wellen des Lichtes ablenken.

Das Fehlen der Körperlichkeit des Bildes gleiche ich durch den Bau von Objekten und der Präsentation der Bilder in Form von Installationen aus. Mich interessiert der Raum und der Weg zum Bild. Ich entwerfe Bildteppiche, die sich vom Boden bis zur Decke ziehen (Ausstellungen "Bilder+Blenden"). Ich beschäftige mich mit den klassischen Formen, wie Altar und Stele ("Solinger Altar" 1992, "Rote Stele" 1995). Die Blenden sind der Ausgangspunkt für meine skulpturellen Arbeiten. Ab 1991 vergrößere ich die DINA-5 großen Scheiben zu mannshohen Störskulpturen, die ich in die Landschaft bzw. zwischen die Bilder meiner Ausstellungen stelle. Allerdings haben diese Objekte wie "Schwarze Scheibe", steirischen herbst 1992, keine Tiefe, da sie flache Holz- oder Stahlscheiben sind. Ich baue schwarze Attrappen, "Haus 1-35" 1991, "Observator" 2003, "Das Auto - p.a.c.n.e." 2004, und verwende sie als Sinnbild, meist im Zusammenhang mit einer Aktion.

Häufig ergeben sich Projekte, wo die verschieden Linien meiner Tätigkeit wieder zusammenlaufen bzw. eine Idee oder Konzeption erfährt eine Transformation und taucht in einer anderen Arbeit wieder auf. Ich habe keine Probleme die Form, den Stil oder die Arbeitsweise zu wechseln, da ich von der Aufgabe her herangehe und dann entscheide, was ich tue. Alle Aktivitäten enden spätestens in der Dokumentation in einem Film oder Foto.

Vom Projekt "Hellersdorfer Himmelsscheibe", Berlin 2003, existiert eine Katalog und das Objekt vor Ort in der Fußgängerzone. Neben dem "kleinen Mirardrom", Troisdorf 1997, ist es meine 2. ständig im Außenraum präsente Arbeit. Im Ergebnis eines Wettbewerbes habe ich die Himmelsscheibe für die S.T.E.R.N. -Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung realisiert. Es ist ein Lichtkasten, der in 3,5 m Höhe auf einer Säule ruht. Kreisrunde Öffnungen, die zu Sternbildern zusammengefasst sind, zeigen die Lieblingsgegenstände der Hellersdorfer. Mit einer Aktion habe ich im Wohngebiet für das Projekt geworben und dann die Interessenten in ihren Wohnungen besucht. Neben den Gegenständen für die Himmelsscheibe, fotografiere ich auch Milieuporträts und eine Ansicht des jeweiligen Wohnhauses. Es entsteht eine Dokumentation des Neubaugebiets und ein Identität stiftendes Kunstwerk, an dem die Bewohner beteiligt waren.

Ein Störkörper im Vordergrund des Bildes erzeugt Angst. Ein Thema das mich immer wieder interessiert, wie beim Tableau "Halt im Wald", Wiepersdorf 1998. Hier wird es als Bildgeschichte inszeniert. Das Bildtableau gehört zum Zyklus "Landgang", wo ich mit original Ost-Fotomaterial, die "kleine DDR" in Brandenburg ablichte. Auch andere historische Schichten sind zu finden. Es entsteht eine Zeitverschiebung, die nur von wenigen Bildern unterbrochen wird.
Bei der Porträtserie "Die Messer", Berlin 1998, halte ich ein Messer vor die Kamera. Die Waffe ersetzt die Blende, ist Irritation und Bedeutungsträger. Ein Kampf Aller gegen Alle wird angedeutet. Die gegensätzlichen Akteure verschmelzen zu einer Figur. Zwischen Kopf- und Fußbild ist die Aufnahme eines Stoffstücks zu sehen. Aggressionen werden unter die Decke gekehrt. Im Bildtableau "Heil Deutschland", Mecklenburg/ Vorpommer, 1998, und "Szene aus einem deutschen Film", Berlin-Bad Lippspringe-Bielefeld 1998, beschäftige ich mich mit dem Rechtsradikalismus.

2001 wiederhole ich in der Ausstellung "ex machina", der NGBK Berlin, die Installation "Beobachtungsstation", Cottbus 1993. Statt Fotos zu betrachten, ist über eine Röhre die Welt direkt zu sehen.
Im gleichen Jahr wird auch die Idee vom Röhrenmenschen realisiert, eine lebendige Skulptur, die den Mensch im Medienzeitalter als absurde Mutation vorführt. 2005 ist der Röhrenmesch II, eine vollmediale Figur geplant.
Ab 2002 beginne ich durch eine Röhre zu fotografieren. Es entsteht die Serie "Im Kreis der Wahrnehmung". Bei dieser Fotografie bestimmt der kreisrunde Ausschnitt und das Aufsetzten der Röhre auf die Oberfläche, das Bild des Aufnahmegegenstandes.Die Bildergebnisse lassen sich mit der digitalen Kamera sofort überprüfen und steuern. Jetzt arbeite ich ausschließlich digital und führe die Bildbearbeitung mit Photoshop durch. Seit 1987 gestalte ich alle meine Kataloge und Einladungskarten am PC.

Ich verwende die Röhre auch für Videoclips an denen ich gerade arbeite (Cranach Stip. 2004). Bereits zu sehen ist die DVD "Lavoro notturno - Nachtarbeit", Olevano 2002, beim dem in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Laufens sich das Bild meines Gesichtes auflöst. Die Videokamera ist vor dem Kopf befestigt.

Seit 1993 führe ich regelmäßig Workshops durch, u.a. in der Kunstschule Intern-tional, "das neue sehen" e.V., Berlin. Hier konnte ich meine Konzeption, Bild- und Körpererfahrungen zusammen zu führen, realisieren. Bei dieser Auseinanderset-zung kann eine eigene Bildvorstellung entwickelt werden. Skulpturelles Arbeiten und Inszenieren steht neben dem bloßen Suchen der Bildmotive. In einer Zeit der digitalen Medien ist der direkte körperliche Kontakt, die Aktion vor Ort, von größter Wichtigkeit. Das Aufstellen von Versuchsreihen und das Gegenüberstellen verschiedener Abbildungstechnologien, aber auch das Infragestellen, die Negation, Spiel und Improvisation macht ein innovatives Arbeiten möglich.

Kurt Buchwald

 

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